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| Wochengespräch

Der abgetretene König Christian Stucki im Wochengespräch

134 Kränze, 44 Festsiege und mit Siegen am Eidgenössischen, beim Unspunnen und auch beim Kilchberg-Schwinget die drei grössten Schwingfeste überhaupt gewonnen und so den Grandslam perfekt gemacht. Dazu wurde er als einziger seines Sports auch noch zum Schweizer Sportler vom Jahr 2019 gekürt. Nun ist aber fertig: Christian "Chrigu" Stucki hat seine Schwingerhosen an den Nagel gehängt.

Sein letzter Auftritt bestritt der Seeländer in seinem Wohnort Lyss. Beim Seeländischen Schwingfest trat der 38-jährige ab. Dies nochmals in der gewohnten Stucki-Manier. In der Arena im Lysser "Grien", deren knapp 5000 Plätze seit langem verkauft waren, machten sich alle für die Verabschiedung des grossen Christian Stucki parat. Alle Schwinger des gastgebenden Seeländer Verbandes schwangen an diesem Tag in weinroten, quasi stuckiroten Hemden, und zahlreiche Zuschauer trugen T-Shirts, auf denen das Konterfei des Schwingerkönigs mit der Königskrone prangte.

Alle litten und freuten sich mit dem populärsten Schwinger der Geschichte. Dem sanften Riesen ging der Abschied ebenfalls nah. Er konnte die Tränen kaum zurückhalten, als er am frühen Morgen dieses strahlenden Sonntags dem Schweizer Fernsehen berichten musste, wie er ebendiesen Morgen erlebt hatte. Zum letzten Mal am Sonntag in aller Frühe aufstehen, zum letzten Mal die Sporttasche packen, zum letzten Mal auf den Schwingplatz gehen - was er in Lyss mit dem Velo tat.

Als er Christian Gerber 33 Sekunden vor dem Ende des Schlussgangs gebodigt hatte und sich die beiden auf dem Platz umarmten, waren die feuchten Augen für alle zu sehen. Stucki fasste sich noch rechtzeitig, bevor er mit dem Mikrofon am Lautsprecher als versierter Conferencier eine Rede hielt. Er rief seine Frau Céline zu sich. Die beiden tauschten einen innigen Kuss. Stucki bedankte sich bei jenen, folglich bei sehr vielen, die ihm die Karriere ermöglicht hatten. Auch bei seinen Eltern bedankte er sich mit seinem Schalk und seinem trockenen Humor: "Ma und Pa, merci vielmal. Ohne euch wäre es nicht möglich gewesen, ich wäre gar nicht da."

Auf die sechs Gänge konnte sich Stucki nicht konzentrieren wie an allen Festen zuvor. Denn zwischen den Gängen war er gefragt. Wie viele Autogramme er an dem Tag an Alt und Jung verteilte, lässt sich nicht schätzen. Auch zwei Konkurrenten fiel die Konzentration schwer. Während sich Adrian Walther und Thomas Sempach im Spitzengang im Anschwingen duellierten, stellte der Speaker des langen und breiten Christian Stucki vor. Darauf setzte eine lange und laute Standing Ovation ein, die nicht Walther und Sempach galt.

Kolossaler Abschied nach kolossaler Karriere

Niemand kann Christian Stucki verwechseln. An seiner Postur und dem übergrossen Kopf identifiziert man ihn von weit. Würde man die blinden Silhouetten von 280 Schwingern eines Eidgenössischen Fests aneinanderreihen und betrachten, so gäbe es bei einem Einzigen keinen Zweifel: Dies und kein anderer ist der Stucki.

Allein schon mit seinen 198 cm und dem zwischen 140 und 150 kg schwankenden Gewicht war Christian Stucki für alle ein unangenehmer Gegner. Auch 190-cm-Schwinger kamen sich neben ihm schmächtig vor. Alle sahen sie eine Wand vor sich. Stefan Zbinden, vierfacher Eidgenosse, verlor gegen Stucki im vorletzten Gang des Kilchberger Schwinget 2008. Danach musste er vor der Fernsehkamera sagen, wie es gewesen sei. In seiner unverfälschten Sensler Mundart sagte der grossgewachsene Schwinger von Oberschrot bei Plaffeien in einem einzigen Satz, wie es ihm und allen anderen in den Duellen mit Stucki jeweils geht: "Wemu mitam Stucki zämegrüfft, chunnt's feeschter." Wenn man mit dem Stucki zusammengreift, wird es finster.

Der sanfte Riese

So riesig er an Gestalt ist, so sanft ist Christian Stucki im Gemüt. Vor dem Eidgenössischen 2019 in Zug wurde er von Schwingerkönig Matthias Sempach unter die Favoriten gereiht, obwohl er die letzten Monate vor dem Fest wegen Verletzungen nicht hatte schwingen können. Sempach hatte nur ein Bedenken: "Hoffentlich ist er nicht wieder zu lieb." Tatsächlich hatte man oft den Eindruck, dass sich Stucki während der Gänge um die Gesundheit seiner Gegner Sorgen macht. In Zug selber hatte er tatsächlich Gelegenheit dazu: Im 3. Gang wuchtete er den Luzerner Turnerschwinger Werner Suppiger ins Sägemehl. Suppiger verdrehte sich die Schulter und blieb liegen. Stucki kniete bei ihm und versuchte ihm so lange zu helfen, bis professionelle Hilfe kam.

Der Schissdräck vor dem Kuss

Wenn es darum geht, die ehrliche Meinung kundzutun, ist Christian Stucki nicht der Sanfte. Er ist nie unhöflich oder verletzend, aber die Diplomatie hat er nicht erfunden. Klar zu hören war dies am Eidgenössischen Fest 2013 in Burgdorf. Die Berner waren damals als Mannschaft derart überlegen, dass das Einteilungskampfgericht ab dem 6. Gang die besten Berner gegeneinander schwingen liess. Zuerst Stucki gegen Matthias Glarner, danach Glarner gegen Matthias Sempach. Stucki und Glarner stellten und banden sich auf diese Weise gegenseitig zurück. Das Vorgehen der Einteiler war legal, aber unpopulär. Stucki kommentierte es am TV mit markigen Worten: "Das isch eifach e Schissdräck."

Das gleiche Fest in Burgdorf lieferte zuletzt unvergessliche Szenen und Bilder. Stucki und Sieger Sempach grinsten sich nach dem Schlussgang am Boden an. Als beide wieder standen, drückte Stucki seinem Rivalen einen herzhaften Kuss auf die Stirn. Es war ein zärtlicher Ritterschlag.

Der Grand Slam

Bis heute ist Christian Stucki einer von nur zwei Schwingern, die alle drei grossen Feste (Kilchberger Schwinget, Unspunnenfest, Eidgenössisches Fest) mindestens einmal gewonnen haben. Der andere ist Jörg Abderhalden. In gewisser Weise ist Stuckis "Grand Slam" noch ein wenig schöner beziehungsweise reiner. In Kilchberg 2008, bei Unspunnen 2017 und in Zug 2019, wo er mit dannzumal 34 Jahren der mit Abstand älteste Schwingerkönig der Geschichte wurde, regelte er alles aus eigener Kraft jeweils im Schlussgang. Abderhalden dagegen hatte es bei seinem Unspunnen-Sieg 1999 nicht in der eigenen Hand. Er musste auf ein Remis im Schlussgang zwischen Silvio Rüfenacht und Christian Vogel hoffen. Die Hoffnung erfüllte sich. Andererseits ist Abderhaldens Bilanz an Eidgenössischen mit drei Königstiteln überragend. (sda/neo1)

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