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Wird der Berner Rocker-Prozess verlegt?
Die politischen Behörden und die Justizbehörden von Stadt und Kanton Bern überlegen, den Prozess gegen 22 angeklagte Rocker vom Berner Amthaus an einen anderen Ort zu verlegen.
"Wir loten verschiedene Optionen aus", sagte der Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause am Dienstagmittag. Im Regionaljournal Bern Freiburg Wallis von Radio SRF führte der Berner Gemeinderat aus, der Verhandlungsort Berner Amthaus liege direkt neben einem wichtigen Verkehrsknotenpunkt, der Schützenmatte, was ungünstig sei.
Schon am ersten Prozesstag, am Montag, und dann auch am Dienstag kam es wegen Scharmützeln zwischen den miteinander verfeindeten Motorradclubs Hells Angels/Broncos auf der einen und Bandidos auf der anderen Seite zu Polizeieinsätzen mit Tränengas und Wasserwerfern. Mehrere Strassen mussten vorübergehend gesperrt werden und Bushaltestellen blieben unbedient.
Nause betonte, es liege nicht in der Kompetenz der Stadt Bern, den Verhandlungsort zu verlegen. Diskussionen seien aber am Laufen. Der Stadtberner Sicherheitsdirektor sprach am Dienstag von einer "grossen Gewaltbereitschaft" der Rocker und einer "nicht guten Situation".
Flaschen, Steine und Provokationen
Der Prozess gegen die Angeklagten Bandidos, Hells Angels und Broncos begann am Montag unter grossen Sicherheitsvorkehrungen. Die Polizei sicherte die Umgebung des Amtshauses mit einem grossen Aufgebot.
Mehrere hundert Mitglieder und Sympathisanten der verfeindeten Rockerbanden postierten sich in der Nähe des Gebäudes, um ihre angeklagten Kameraden zu unterstützen. Bald schon flogen nicht nur Beleidigungen hin und her, sondern auch faustgrosse Steine und Flaschen. Die Polizei konnte die Streithähne trennen und von einander fernhalten. Sie setzte Wasserwerfer, Gummischrot und Reizgas ein.
Die Bandidos zogen nach dem Mittag schliesslich ab, Hells Angels und Konsorten blieben auf der nahen Schützenmatte.
Keilereien
Am Dienstagmorgen waren auf der Schützenmatte nur noch Hells Angels und befreundete Motorradgangs. Beim Eingang ins Amtshaus gerieten Anhänger der verschiedenen Rockergruppen aneinander. Die Polizei ging dazwischen, wie Isabelle Wüthrich von der Berner Kantonspolizei Medienberichte auf Anfrage bestätigte.
Im Verlauf des Vormittags verlagerten sich die Auseinandersetzungen vorübergehend auf die Autobahnraststätte im Grauholz bei Bern. Dort war eine Polizeipatrouille mit Kontrollen beschäftigt, als plötzlich mehrere Motorradfahrer ankamen, wie Wüthrich ausführte. Es kam zu einem Gerangel.
Die Polizeipatrouille setzte Pfefferspray ein und musste auch den Einsatz von Waffen androhen. Sie forderte Verstärkung an, worauf die Situation laut Wüthrich rasch beruhigt werden konnte. Nach Kenntnissen der Polizei wurde niemand verletzt.
Blutige Abrechnung
Beim Prozess in Bern geht es um eine blutige Auseinandersetzung unter den verfeindeten Bandidos, Hells Angels und Broncos. Die bislang im Ausland aktiven Bandidos wollten 2019 einen Ableger in der Schweiz gründen, was den Platzhirschen, den Hells Angels und ihren Verbündeten, nicht passte.
Im Mai 2019 wollten sie den Bandidos in deren designiertem Klubhaus in Belp einen Denkzettel verpassen. Die Meuten gingen mit Stich-, Schlag- und Schusswaffen aufeinander los. Es gab mehrere Schwerverletzte. 22 Männer stehen nun in Bern vor Gericht.
Die wegen versuchter vorsätzlicher Tötung angeklagten Haupttäter schwiegen bisher vor Gericht zu dem Vorfall. In den nächsten Tagen finden die Befragungen der übrigen Angeklagten statt. Auch sie dürften mehrheitlich schweigen. Der Prozess dürfte noch Tage dauern, das Urteil wird Ende Juni erwartet. (sda)
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