Werbung
Mehr als vier Straftaten häuslicher Gewalt pro Tag im Kanton Bern
Das Zuhause ist nicht für alle Menschen ein sicherer Ort. Auch im Kanton Bern kommt es immer wieder zu häuslicher Gewalt: durchschnittlich mehr als vier Mal pro Tag. 2023 registrierte die Berner Kantonspolizei 1726 Fälle.
Der Grossteil der polizeilich registrierten Taten fand innerhalb von bestehenden oder aufgelösten Paarbeziehungen statt. Zu häuslicher Gewalt kommt es aber auch in Eltern-Kind-Konstellationen.
Knapp zwei Drittel der Fälle mündeten in eine Strafanzeige, wie aus dem am Montag publizierten Jahresbericht der Berner Interventionsstelle gegen Häusliche Gewalt hervorgeht. Wie in den Vorjahren waren die Opfer primär Frauen, während die Gewaltausübenden vor allem Männer waren (76 Prozent).
Das Alter hat einen Einfluss auf das Verhältnis zwischen männlichen und weiblichen Betroffenen, wie aus dem Jahresbericht weiter hervorgeht. Im Kindesalter ist das Verhältnis relativ ausgeglichen. Im Alter der Berufstätigkeit ist der Anteil der betroffenen Frauen fast dreimal so hoch wie jener der Männer. Im Seniorenalter gleicht sich die Verteilung erneut an.
Am meisten Fälle häuslicher Gewalt wurden in den grossen Agglomerationen registriert. Im Verwaltungskreis Bern-Mittelland waren es 404 Fälle, im Verwaltungskreis Biel 230. In den übrigen Verwaltungskreisen wurden weniger als hundert Fälle gemeldet.
Fünf neue Fälle pro Tag bei Opferhilfestellen
Opferhilfestellen leisteten 2023 pro Tag bei fünf neuen Fällen Beratung. Insgesamt erbrachten sie über 92300 Beratungsstunden. Mit der Hotline AppElle! steht den Betroffenen rund um die Uhr Beratung zur Verfügung. Im Durchschnitt gingen bis zu 9 Anrufe pro Tag ein, deutlich mehr als die Hälfte ausserhalb der Bürozeiten.
122 Frauen und 115 Kinder fanden Schutz in einem Frauenhaus. Von häuslicher Gewalt betroffene Männer bekamen Unterkunft und Beratung in einem Männerhaus.
Etwas mehr als 70 Personen nahmen an einem Lernprogramm gegen häusliche Gewalt der Berner Interventionsstelle teil. Auch bei anderen Fachstellen konnten betroffene Unterstützung erhalten, um ihr Verhalten zu verändern.
Notschlafstelle für junge Menschen
Junge Menschen sind nicht selten direkt oder indirekt von häuslicher Gewalt betroffen. Seit Mai 2022 bietet die Notschlafstelle Pluto in Bern jungen Menschen im Alter von 14 bis 23 Jahren einen sicheren Hafen. Im ersten Betriebsjahr zählten die Verantwortlichen 2229 Übernachtungen.
Von den rund 150 Nutzenden seien 32 Prozent junge Frauen, heisst es im Bericht weiter. Die Nutzungsgründe zeigten deutlich auf, dass der grösste Teil der Betroffenen aufgrund von Konflikten oder Gewalt im Herkunftssystem die Notschlafstelle aufsuchten. Die jungen Menschen berichteten, dass sie aus dem Elternhaus rausgeworfen wurden oder dass sie psychische oder physische Gewalt erlebten.
Spitze des Eisbergs
Die Berner Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt gibt in ihrer Mitteilung zu bedenken, dass ihr Jahresbericht nur einen Bruchteil der Realität abbildet. Viele Fälle häuslicher Gewalt werden behördlich nicht bekannt, nicht zur Anzeige gebracht und erschienen in keiner Statistik.
Ausserdem setzten sich auch eine Vielzahl weiterer Organisationen, Vereine und Projekte im Kanton Bern im Kampf gegen häusliche Gewalt ein. (sda)
Werbung